Machtwerterelationen

Date 2010-10-10

Das norwegische Nobel-Preis-Komitee hat den diesjährigen Friedensnobelpreis dem chinesischen Autor Liu Xiaobo verliehen und damit, trotz heftiger Warnungen der chinesischen Regierung, einen Dissidenten ausgezeichnet, der wegen seiner in Anspruch genommenen freien Meinungsäußerung 2009 zu elf Jahren Haft verurteilt wurde. Das Komitee hat sich also nicht dem Druck gebeugt, obwohl China meinte, die Preisverleihung stehe im Gegensatz zu den Grundsätzen des Nobelpreises, weil damit ein Verbrecher geehrt werde, der nach geltendem Recht verurteilt sei.

Hätte in Oslo ein ähnlicher Geist geherrscht, wie er hierzulande oder in Deutschland die Gutmenschler und politisch Korrekten, die Rosarotgrünlichen, negativ auszeichnet, wäre freilich der Preis nicht an ihn verliehen worden. Diese Korrekten verstehen, dass freie Meinungsäußerung nur dann frei sein darf, wenn sie gewissen Richtungen und Regeln entspricht.
Kolumne “Wort zum Sonntag” von Haimo L. Handl, 10.10.2010

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Literaturrelevanz

Date 2010-09-12

Ende Juli 2010 fragte der New Yorker Kritiker Lee Siegel im New York Observer “Where Have All the Mailers Gone?” und stellte ernüchternd fest, “Fiction has become culturally irrelevant.” Er argumentierte: Die Praxis ist nicht mehr Berufung, sondern wurde eine Profession, und Professionen sind nicht charakterisiert durch kreative Gefahr.”

Kolumne “Wort zum Sonntag” von Haimo L. Handl, 12.09.2010

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Literaturgeschwätzigkeit

Date 2010-07-18

In einem Interview in der WELT anlässlich des Bachmann-Preiswettlesens wurde der Poetikdozent Hanns-Josef Ortheil, Leiter des Instituts für Literarisches Schreiben der Universität Hildesheim, gefragt, ob die Bildungskrise auch bei den Literaturinstituten angekommen sei. Seine Antwort ist ein Musterbeispiel für die Verfahrenheit und Ungebildetheit auch derer, die als Bildungsvermittler auftreten oder als gebildet angesehen werden: “Aber ja. Ich schlage inzwischen vor, den jungen Leuten die Schulbildung im Fach Deutsch zu ersparen. Denn was dabei herauskommt, ist den Namen nicht wert. Kaum Lieblings-Texte, kaum brauchbares Schreiben. Das Fach Deutsch ist zu einer Gerätestube für oft haarsträubendes Dauer-Interpretieren von willkürlich herangezogenen Textbrocken geworden. Da gibt es kaum Raum für Kreativität oder die Meinungen und Anregungen von Schülerinnen und Schülern.”
Kolumne “Wort zum Sonntag” von Haimo L. Handl, 18.07.2010

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Kritikaster

Date 2010-03-13

Es gibt immer weniger Kritiker, weil die positive Tradition der Kritik abstirbt, verloren geht. Kritiker sind Beurteiler, Vermittler. Sie kommentieren mit ihrer Kritik ein Werk, erhellen damit, weisen zusammenfassend oder hervorhebend auf Besonderes, ergänzen. Das bedingt Denkarbeit.

Kolumne “Wort zum Sonntag” von Haimo L. Handl, 14.03.2010

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Echt ist mehr als original

Date 2010-02-14

Gegenwärtig beschäftigt wieder ein literarischer Plagiatsfall die Szene. Ein von den Medien und der Kritik auserkorener Shooting Star, die siebzehnjährige Helene Hegemann hat nachweislich seitenweise aus einem Text eines Bloggers, Airen, abgeschrieben und sich erst nachträglich auf fragwürdige Art entschuldigt bzw. die Sache abgetan, sie habe nur den heute geltenden Regeln der remix & copy-and-paste-culture entsprochen. Zudem hätte sie eh, in der zweiten Auflage, den Autor erwähnt etc. Auch sei die Stoffverwendung eine Art in Kommunikation treten mit dem Autor gewesen, sozusagen eine Hommage.

Kolumne “Wort zum Sonntag” von Haimo L. Handl,
14. 2. 2010

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