In einem Interview in der WELT anlässlich des Bachmann-Preiswettlesens wurde der Poetikdozent Hanns-Josef Ortheil, Leiter des Instituts für Literarisches Schreiben der Universität Hildesheim, gefragt, ob die Bildungskrise auch bei den Literaturinstituten angekommen sei. Seine Antwort ist ein Musterbeispiel für die Verfahrenheit und Ungebildetheit auch derer, die als Bildungsvermittler auftreten oder als gebildet angesehen werden: “Aber ja. Ich schlage inzwischen vor, den jungen Leuten die Schulbildung im Fach Deutsch zu ersparen. Denn was dabei herauskommt, ist den Namen nicht wert. Kaum Lieblings-Texte, kaum brauchbares Schreiben. Das Fach Deutsch ist zu einer Gerätestube für oft haarsträubendes Dauer-Interpretieren von willkürlich herangezogenen Textbrocken geworden. Da gibt es kaum Raum für Kreativität oder die Meinungen und Anregungen von Schülerinnen und Schülern.”
Kolumne “Wort zum Sonntag” von Haimo L. Handl, 18.07.2010
Bei vielen, sogar Fachleuten, herrscht die Haltung vor, nicht alles könne übersetzt werden bzw. das Wesentliche überhaupt nicht. Es gebe höchstens Nachempfindungen, Annäherungen und Dergleichen. Andere wiederum, denen ich mich zugeselle, sprechen von der generellen Übersetzbarkeit jeder Sprache. Sprache ist ein Symbolsystem, das Zeichen nach bestimmten Regeln (Grammatik) so verbindet und setzt, dass der mögliche, vielfache Bedeutungsgehalt in den gewählten Relationen den intendierten Sinn erlangen und ein Sprachgemeinschaftsmitglied in Kenntnis eben dieser Regeln und Bedeutungsfelder diesen hört, liest, “erkennt”, versteht.
Kolumne “Wort zum Sonntag” von Haimo L. Handl, 4.7.2010
Der Schulschluss naht und damit das Klagen über vermehrten Stress und negative Abschlüsse. Auch heuer werden wieder viele Schüler es nicht schaffen. Erklärungen tun not. Die leichtesten finden die Eltern und ihre gutmeinenden Vertreter in einem stereotypen Angriff auf das Schulsystem, in einer gewohnten, eingeübten Verurteilung der Lehrerschaft.
Kolumne “Wort zum Sonntag” von Haimo L. Handl, 20.06.2010
Vergleicht man die Sportbegeisterung mit der für Populärkultur bzw. “Hochkultur”, fallen nicht nur Unterschiede, sondern auch Gemeinsamkeiten auf. Hinsichtlich der Beliebtheit bzw. des Massenkonsums rangieren Popkultur und Sport, oder besser gesagt Sportdarbietungskonsum, ganz vorne, alles, was sich Hochkultur nennt, weit abschlagend.
Kolumne “Wort zum Sonntag” von Haimo L. Handl, 13.06.2010
Bis vor kurzem sagte man stolz: “Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s allen gut.” Seit den Raubzügen und staatlichen Umverteilungshilfen zugunsten der Reichen und Superreichen hat der Slogan etwas von seinem Charme eingebüßt. Im Kulturbereich gilt scheinbar eine entgegengesetzte Logik: Geht’s allen schlecht, geht’s der Kunst besonders gut. Einer gewissen zumindest. Kunst ist nicht l’art pour l’art, sondern Mittel und Zweck für Kunstfremdes: für Tourismus (früher “Fremdenverkehr” genannt!), für Städtebau, für Politimage und Prestige, für Politik und Weltoffenheit. Neuerdings auch als Ausweis für Sozialengagement und Multikulturalismus.
Kolumne “Wort zum Sonntag” von Haimo L. Handl, 16.05.2010