Assad Tabatabai
Freitag, 2. Januar 2015

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Bildender Künstler, Wien

Homepage des Künstlers

Text von Heide Breuer zu Assad Tabatabais Kunst weiter unten!

 

 

 

Assad Tabatabei
  1. Ausgesuchte Kleinformate, Mischtechniken

    9.5. - 3.7.2015

    Eröffnung Sa 9.5. 18 Uhr


    Assad Tabatabai lebt seit 1967 Jahren in Österreich und hat sich als Künstler schon lange etabliert; neben vielen Personalen und häufigen Teilnahmen an Gruppenausstellungen im In- und Ausland betreute er erfolgreich über Jahre eine Bezirksgalerie in Wien. Sein großformatiges Werk, seine frühen Grafiken, unterscheiden sich stark von den Kleinformaten, denen der Künstler sich gegenwärtig widmet. Sie zeigen seine Qualität der Komposition, der Farbgebung und des Strichs ganz eindrücklich, wenn man nahe ran geht. Seine Kunst berücksichtigt die Reduktion, sucht das genaue Maß – und findet es.
 
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Heide Breuer

Assad Tabatabais Arbeiten

Die schmale Treppe führt zum Atelier hinunter, in das unterirdische, das wirkliche Leben. Ein stiller, weißer Raum, in dem sich viele Bilder an den Wänden stapeln, an Brüstungen lehnen, eines befindet sich an der Staffelei, Assad arbeitet gerade daran. Es herrscht eine lebendige und beredte Stille.

Assad lässt mir Zeit, die Leinwand zu betrachten, an der er gerade arbeitet, Form und Farbe sind für ihn noch nicht definiert, er ist unzufrieden, erläutert mir seine Kritikpunkte. Er gestattet mir, in seine Welt einzudringen. Dann tritt er vom Bild zurück, macht einen Vorschlag zur Änderung, den er gleich wieder verwirft. Es arbeitet in seinem Hirn, in seinem System. Das Bild ist längst fertig im Kopf, so wie die anderen, die er in der letzten Zeit gemalt hat, aber die Gestalt wird sich noch verändern, das heißt, die Farbnuance, eine bestimmende Linie, eine Kleinigkeit vielleicht nur. Mir erscheint es perfekt. Wie immer fällt seine meisterhafte Farbführung  ins Auge, etwas, das er beherrscht. Seine Farben haben Licht und Tiefe von innen, sie leuchten aus sich selbst, auch die dunklen Töne. Kein Wunder, hat er doch  neben anderen Lehrern bei Rudolf Hausner studiert, er beherrscht sein Maitier bis ins kleinste Detail. Doch Arbeiten, auch wenn sie noch so meisterhaft gestaltet sind, berühren uns nicht, wenn es der ihnen zugrunde liegende Inhalt nicht schafft.

Die Idee und der Grundgedanke geben einem Werk Inhalt und Gehalt, die Imagination und die Kraft, sie  zu transportieren. Wir sind hier bei der schwer zu bestimmenden Frage angelangt, was ein Werk zum Kunstwerk macht, das gewisse Etwas, das über eine noch so gute Technik hinausgeht. Die Kriterien sind schwer zu bestimmen, aber nicht nur ein an der Kunstgeschichte geschulter Geist zusammen mit dem inneren Gespür erlauben jenen Augenblick des Berührtwerdens,  der mit der Betrachtung eines Kunstwerks  zusammenfällt. Es ist genau der schwebende Punkt, der eine Arbeit zum Meisterwerk werden lässt, jener unbestimmte Moment, der unsere Seele berührt.

Es ist keine Frage, dass sich bei Assad beides vereint. Bei ihm spielt die Auseinandersetzung mit den politischen Zusammenhängen der beiden eng verflochtenen Jahrhunderte, die uns bestimmen, eine Rolle,  aber auch die meditative Betrachtung darüber. Assad ist von zwei kulturellen Weltsichten geprägt – von der alten iranischen Kultur, die für seine Kindheit und Jugend bestimmend war,  und von der widersprüchlichen westlichen Welt, die seine innere Heimat geworden ist. In seinen Arbeiten verschmelzen beide Kulturen zu schöner Synthese. Seine ursprünglich naturnahen Landschaften lösen sich allmählich auf zu Landschaften der Seele und der Empfindung, der Sehnsucht nach Freiheit. In einer großen Arbeit  Der Himmel ist überall gleich thematisiert er damit die politischen Zustände Iraks, Irans und Afghanistans, in einer anderen seine alte Heimat Iran mit dem vielsagenden Titel: Dieses Land hat viele Farben gesehen, nur die Farbe der Freiheit nicht. Sein Schaffen  folgt also nicht nur ästhetischen Kriterien sondern es ist auch von einem politischen, vor allem aber einem philosophischen Movens bestimmt. Diese Haltung ist bereits in seinen frühen Bildern aus den siebziger und frühen Achtzigerjahren zu sehen. Hier türmen sich in reduzierten Traumlandschaften riesige technische Symbole auf, welche die Nähe zur Natur bedrohen. Seine Sprache ist inzwischen leiser und subtiler geworden, aber auch konzentrierter.

Formal weisen Assads Bilder eine gewisse Nähe zum  Abstrakten Expressionismus auf, aber er hat seine eigene, unverwechselbare Sprache entwickelt. Sein Zugang zur Malerei ist eine meditativer.

Exemplarisch dafür steht für mich die Serie der Louh. Diese scheinbar strenge Form der Bildgestaltung hat mich fasziniert, und Assad hat mir als Erklärung den aus dem Arabischen stammenden Begriff Schreibtafeln angeboten, der  im erweiterten Sinn als Gesetzestafeln zu verstehen ist. Es handelt sich also um eine archaische Deutung. Die klare rechteckige Form unterstreicht die grundlegende Idee. Assad entwickelt in der Strenge des Grundgedankens eine fast spielerische Auseinandersetzung zwischen Farbe und Gestalt. Eingeschmolzen in die starre Form des Rechtecks  entfaltet sich eine geschlossene Welt an Farbstruktur, manchmal gegliedert, was dem Bild einen gewissen Rhythmus verleiht, manchmal in freierem Spiel. Form und Umform – der freie Raum um das Objekt, korrespondieren miteinander und geben dem Gemälde Spannung. In jedem Bild aber entfaltet Assad  die Tiefe seiner Farben. In vielen Lagen sind sie übereinander aufgetragen, um ihre endgültige, leuchtende Oberfläche zu erhalten. Sogar dunkles Grau oder Blau scheinen von innen heraus zu schimmern, in ihrer strukturierten Oberfläche offenbart sich Bewegung. In einigen Arbeiten verlässt Assad die klare Form des Rechtecks, die Umrisse werden von feinen Linien unterbrochen,  pflanzenhaft ragen sie in den Bildrand hinein.  Man hat die Vorstellung, als wären sie über Nacht  aus sich heraus und in das Bild hinein gewachsen, um nun ihr leuchtendes, geheimnisvolles Leben zu entfalten. Sie korrespondieren  auf wunderbare Weise mit dem ebenfalls  farbigen Hintergrund.

Aber nicht nur in der Serie der Louh ist die Dialektik zwischen Farbe und Form zu spüren, Assad hat sie in den Arbeiten aufgeworfen, die aus den Jahren 98 bis 2007 entstehen. Es ist hier die  Dialektik im Hegelianischen Sinn gemeint, die Polarität, in welcher beide Elemente komplementär zueinander stehen, sich einander bedingen und nicht ausschließen – zwei farbliche Bereiche in ihrer bewegten Oberfläche. Es sind konsequente, durchkomponierte Arbeiten von großer Klarheit.

Nicht nur die Malerei ist Assads Ausdrucksmittel, er hat eine große Anzahl von Grafiken geschaffen. Durch sie spricht die orientalische Tradition, denn sie erinnern an kunstvolle Kalligrafien. Ich möchte besonders seine Technik hervorheben, in der er es zur Meisterschaft gebracht hat. Es handelt sich sämtlich um Arbeiten mit dem Pinsel, in der auch  die die kleinsten Striche Klarheit und Prägnanz haben. Hier sind Linien verschiedener Stärke, eine sparsam gesetzte Fläche vielleicht, das beherrschende Medium. Mit feinem Tuschstrich lässt er Landschaften entstehen, flüchtige Impressionen in ausgedehnten Räumen. Durch ein paar Striche deutet er weitläufige Gegenden an, die sich in einer einzigen Linie im Unendlichen verlieren und dabei der Assoziation genügend Raum lassen. Manchmal liegt die Betonung im Horizontalen, manchmal im Vertikalen, manchmal existieren überhaupt keine Koordinaten. Die Reduktion beschäftigt die eigene Fantasie. Fast denkt man an das sich ewig erneuernde Spiel beim Betrachten ziehender Wolken, die ständig die Form wechseln und uns an sich allerlei verändernde Gestalten denken lassen. Besonders hervorheben möchte ich die großen Arbeiten, die in diesem Jahr entstanden sind. Assad zeigt auch hierin sein Können, indem er eine kleine Form heraushebt und sie in ein großes Format überträgt. In einem Bild  schweben zartblaue Farbspuren und deuten den Himmel an. Bei Assads reduzierten Grafiken finden wir uns in Gegenden wieder, die uns vielleicht einmal im Traum erschienen sind, die aber in unserer Vorstellung stets ihr Gesicht wechseln. Immer wieder erscheint ein Berg, einmal dunkel, einmal in Faltung, einmal in einem Strich, stets anders und irgendwie doch vertraut.

Auch die Louh sind kalligrafisch dargestellt, es sind elegante Formationen, die ohne Farbe ihren eigenen Charakter besitzen. Auch hier ist die strenge Form hier und da aufgebrochen, und setzt sich mit dem Umfeld in Beziehung.

Die leidenschaftliche Hingabe an seine Kunst, die täglichen Übungen, die Spurensuche ist in seinen Notizbüchern zu ersehen, die in der Vitrine ausgestellt sind. Es ist ein großer Bogen, der sich hier aufspannt, und an dem er uns teilhaben lässt.

Lassen Sie sich, verehrte Damen und Herren, auf das Abenteuer ein, dem Weg nach innen zu folgen, verführt durch die Leuchtkraft der Farben und die Meisterschaft eines Striches. 

 

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