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Vergebührung von Protesteingaben PDF Drucken E-Mail
Donnerstag, 29. Dezember 2011

thumb_police-stateSOS Mitmensch meldet, dass Absender von Protestbriefen vom Ministerium mit einer Aufforderung konfrontiert werden, die Bearbeitungsgebühr von Euro 14,30 zu überweisen, damit die Eingabe weiter bearbeitet wird.

 

 

In dieser Aufforderung heißt es:

„Hinzuweisen ist, dass Ihr Schreiben eine Eingabe von Privatpersonen im Sinne des § 14 Tarifpost 6 Abs. 1 des Gebührengesetzes 1957 idgF darstellt. Solche Eingaben sind gemäß den Bestimmungen des Gebührengesetzes mit € 14,30 zu vergebühren, um sie einer Bearbeitung zuführen zu können. Sie werden daher eingeladen, innerhalb von 2 Wochen nach Erhalt dieses Schreibens, den Betrag von € 14,30 auf das nachstehend angeführte Konto zu überweisen.“

Als Begründung gibt SOS Mitmensch an:

"Es kann und darf nicht sein, dass Menschen, die gegenüber einem Ministerium demokratische Anliegen vertreten, zur Zahlung einer Eingabegebühr aufgefordert werden.

Die Möglichkeit, Protestschreiben an ein Ministerium zu schicken, ist kein zu vergebührendes Privatinteresse, sondern liegt im Interesse unserer Demokratie! Wir erachten die Vergebührung von Protestschreiben daher als Anschlag auf unsere Demokratie"

Dagegeen ruft SOS-Mitmensch zum Protest. Protest, damit Protest ohne Vergebührung möglich bleibt!

Nähere Informationen hier.

Nun, dass es sein kann, beweist ja die Realität. Dass es nicht sein dürfe, ist ein anderer Fall. Doch sollte die Begründung weniger auf dem Gegensatz von Eingaben von Privatpersonen als Privatinteresse gegenüber einem öffentlichen, demokratischen Interesse sein. Denn letztlich ist dem Engagierten die Sache der Demokratie auch privat wichtig und AUCH sein privates Interesse. Jede Eingabe, die von einer Person erfolgt, also nicht von einer Organisation, ist eine Privateingabe. Wird dias Gebührengesetz ausgelegt, wie es das Ministerium unternimmt, sind alle von Personen abgegebenen Eingaben zu vergebühren. Dagegen muss protestiert werden, und zwar mit dem Hinweis bzw. der Forderung, dass, wie bei Petitionen, alle Eingaben, die keinen Privatfall betreffen, sondern einen allgemeinen Protest oder eine allgemeine Aufforderung (zu unternehmen oder zu unterlassen), NICHT unter Privatinteresse fallen, auch wenn sie von Privatpersonen abgegeben werden.

Würde man nachweisen müssen, dass die Eingabe im "Intersse unserer Demokratie" liege, wäre man in einer Grauzone und einer enormen Beweislast. Protest muss aber möglich sein, ohne solche Nachweisführung! 

Die Chuzpe ist, dass die Regierung über ihre Bürokratie mittels Vergebührung eine Barriere errichtet. Wenn das Schule macht, könnte man Demonstranten z. B. wegen verkehrswidriger Nutzung von öffentlichen Verkehrsflächen nicht nur abstrafen, sondern gleich auch zu horrenden Gebühren verdonnern. 

Auch könnten Demonstrationen oder Steiks nicht nur als Störung der öffentlichen Ordnung interpretiert werden, sondern als Beeinträchtigung des freien Warenverkehrs. Mit Hilfe einiger EU-Gesetze könnte das geahndet werden (siehe Verbot der LKW-Fahrtbeschränkungen in Tirol wegen des freien Warenverkehrs, der nicht behindert werden darf). Es könnten die Folgeschäden berechnet und eingefordert werden: Stau, Produktivitätseinbußen usw. Das heißt, während formell das Demonstrations- und Streikrecht weiter bestünde, würde praktisch und faktisch jede Demonstration und jeder Streik so teuer werden, dass die Teilnehmer sich verschuldeten, aufgäben. Der Staat und die von ihm geschützten Firmen hätten keine Streiks mehr zu befürchten, zumal die zivilgerichtlich geforderten Schadenersatzansprüche der Firmen, wie schon öfters versucht, im selben Rechtssinne unterstützt würden. 

Firmen wie KLEIDERBAUER müßten nicht um Polizeiintervention ansuchen und bewilligt erhalten, wenn Tierschützer vor ihren Geschäften protestieren. Der freie Markt mit dem Verbot der Geschäftsbehinderung machte es ihnen leichter  möglich, sich aller Protestierer effektiv zu entledigen, indem diese kräftig zur Kasse gebeten werden. 

Konklusio: Anstatt auf eine gnädige Erlaubnis der Staatsbüttel zu warten, muss sich der Protest wahrscheinlich über die Ebene der Protestschreiben und -eingaben erheben und ausweiten. (Gnade gibt es nur in nichtdemokratischen Obrigkeitsstaaten oder Kirchen!)  Wenn die Intensität der sozialen Unruhen, des zivilen Ungehorsams zunehmen, müßte die Polizei einschreiten. Falls die Protestierer nicht sofort mucken und nachgeben, hätte der Staat ein Problem: Entweder führt er bürgerkriegsartig ein Regime gegen weite Teile der Bevölkerung, oder er lenrt und nimmt die Gesetze und den demokratischen Umgang ernst. 

Eigentlich gibt es nichts zu erbitten oder erbetteln. Nur zu fordern. Der Staat MUSS rechtsstaatlich agieren - oder er wird zum offenen Feind, der bekämpft werden muss. Das alles hatten wir schon in verschiedenen Farben und Ausführungen. Es scheint, die Regierenden sind wieder auf dem Weg zum Obrigkeitsstaat. Dem ist überall in allem zuwiderzuhandeln. 

Die Antwort heißt ja nicht: Anarchie. Es heißt nur, dass der Staat sich AUCH an demokratische, rechtsstaatliche Regeln hält. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. 

 

Nachbemerkung:

Am 29.12.2011, 17:01 meldet SOS Mitmensch über e-mail:

Liebe UnterstützerInnen von SOS Mitmensch,

 

Unsere Protestaktion war erfolgreich! Dank der medialen Berichterstattung und der zahlreichen Beteiligung an der Protestaktion von SOS Mitmensch, hat das Innenministerium einen Rückzieher gemacht. Das Ministerium nimmt die Gebühr für Protestschreiben hochoffiziell wieder zurück!

 

Ein großes DANKESCHÖN an alle, die bei der Aktion mitgemacht haben! Demokratisch aktiv zu werden lohnt sich!


* * *

Der Schlusssatz hat es in sich: "Demokratisch aktiv zu werden lohn sich!" Und wie sieht jener Widerstand aus, der sich nicht (gleich) "lohnt"? Zweideutiges Nutzendenken.

Wenn sich SOS Mitmensch und Unterstützer mit diesem Teilerfolg zufrieden geben, haben sie verloren und das Establishement gewonnen. Keine der Kernfragen ist damit beantwortet. 

 

(MyPersonalContent v1.3 © Rico Pinzke)
 
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