Das Verständlichste an der Sprache ist nicht das Wort selber, sondern der Ton, Stärke, Modulation, Tempo, mit denen eine Reihe von Wörtern gesprochen werden – kurz die Musik hinter den Worten, die Leidenschaft hinter dieser Musik, die Person hinter dieser Leidenschaft: alles das also, was nicht geschrieben werden kann. Deshalb ist es nichts mit Schriftstellerei.
Friedrich Nietzsche
Nachlaß Sommer-Herbst 1882 3(1)
KSA 10:89
Deutung des Aphorismus von Nietzsche nach rhetorischen Aspekten:
Wort
Musik
Leidenschaft
Person
Das Sprichwort "Der Ton macht die Musik" ist mehrdeutig; hier meint er, dass das WIE, das Rheotrische, die Sprechweise und Darstellung bzw. das Erscheinen, die Präsentation wesentlich auf die Wahrnehmung, die Aufnahme der Botschaft einwirken.
"... deshalb ist es nichts mit der Schriftsellerei" ist natürlich übertrieben, aber es rekursiert auf die frühe Wertschätzung des gesprochenen Wortes und die Skepsis gegen die Schrift. Nietzsche hat ja selbst viel geschrieben und hebt hier hervor, welche genuine Qualitäten die lebendige Rede gegenüber JEDEM geschriebenem Text hat.
Im Internetzeitalter kennen das jene Chatter, die noch ohne Live-Video, meist sogar ohne Ton, SCHREIBEN: um die fehlenden Signale zu ersetzen, die in einem Gespräch ausgetauscht werden, kommen sogenannte "Smilies" zum Einsatz. Die Visualisierung aus dem Comic-Bereich soll helfen, Stimmungen, Ironie oder Intensitäten zu verdeutlichen. In einem echten Gespräch kann all das, die "Musik" gehört, gesehen und sogar gespürt werden.
HLH
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