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Dialogpflicht & Pflichtdialoge PDF Drucken E-Mail
Donnerstag, 16. April 2009
Kolumne "Wort zum Sonntag" von Haimo L. Handl,  06.01.08

Die realpolitische Vernunft fördert Dialoge. Die politische Korrektheit fordert Dialoge. Die Beflissenen üben Dialoge als Programm und Mission. Es werden «Dialogformeln» beschworen. So genannte Multikulturalität redet von Dialogen wie von Toleranz. Aber Toleranz geht eher einseitig vom Tolerierenden aus, Dialog ist eigentlich mindestens zweiseitig.

Auch verbindet sich mit dem Konzept des Dialogs eine gewisse Dialogvoraussetzung und –bereitschaft, wenn schon nicht «Gleichheit». Das heisst, kein Dialog kann einseitig geführt werden. Er kann auch, wie eine sinnvolle Therapie, nicht gegen den Willen des Anderen gepflegt werden, schon gar nicht als «Pflichterfüllung» eingefordert und «abgehandelt» werden. Just dies scheint aber im gegenwärtigen Geschwätz von Dialognotwendigkeit und Dialogbereitschaft und Dialogbemühung der Fall zu sein: es herrscht die Mühe vor, die Last, das Falsche.

Das Dilemma wurzelt in einem Wertemissverstehen und einer Portion Feigheit. Für den Dialog müsste man vom Anderen auch was fordern. Das scheint politisch meist nicht opportun, vor allem dann nicht, wenn der Andere als «Opfer» gesehen und «gehandelt» wird. Der angestrebte oder oktroyierte Dialog kann keiner werden, er bleibt pseudo. Eine Täuschung oder eine Lüge. Jedenfalls kein Dialog.

Wenn gegenüber Zuwanderern, Asylanten oder einfach Leuten, die hierher kommen und hier leben so getan wird, als ob es primär an uns als Vertretern unserer Kultur läge, die Kultur und Sprache dessen zu beachten, der kommt, dann verschiebt sich etwas ganz unkultürlich (allgemein nennt man es «unnatürlich» im Sinne von «pervers»; ich sehe es kulturell und nicht naturell). Man täuscht sich, wenn man von einer Gleichheit ausgeht, die nicht existiert, ja nicht existieren kann. Existierte sie, gäbe es Dialog, weil beide Seiten die adäquaten Mittel zur dialogischen Kommunikation einsetzten. Offensichtlich ist dies nicht der Fall. Hier und woanders nicht.

Als ich im Ausland studieren wollte, suchte ich mir ein Land, dessen Sprache ich verstehe, weil es mir unmöglich schien, sonst das Studium zu absolvieren. Also reiste ich nicht in ein französischsprachiges Land, sondern in ein englischsprachiges. Trotz der Sprachkenntnisse musste ich aber viel lernen und in Kauf nehmen als Fremder, um in der Fremde, im Ausland, erst einmal das «System» zu erfassen und soweit zu kapieren, damit ich mich darin so friktionslos wie möglich bewegen konnte. Dass es gelang, hing nicht nur vom fremden Land, dem Gastland ab, sondern auch von mir. Von beiden.

Ich lebte auch viel im Ausland. Ich akzeptierte, dass ich nicht die gleichen Rechte hatte wie Inländer. Das war in der Schweiz so und in Deutschland. Und bei kürzeren Aufenthalten in vielen anderen Ländern erst recht. Immer kam es darauf an abzuschätzen bzw. zu bemessen, wie weit ich in der Lage und Willens war «Umstände» hinzunehmen und Mittel einzusetzen, um meine gesteckten Ziele zu erreichen.

Wäre ich in einer Notsituation gewesen, als Flüchtling, wären meine Wahlmöglichkeiten also drastisch geschrumpft oder gar inexistent gewesen, dann hätte sich der Druck verstärkt. Nichts hätte sich aber daran geändert, dass es auch auf mich angekommen wäre, wie ich mit dem fremden System umgehe usw.

Bei uns gibt aus vielerlei Gründen eine unrealistische, teils verlogene Politik gegenüber Fremden, die bei uns heimisch werden wollen. Es gibt auch Leute, die nicht heimisch werden wollen, sich trotzdem über das Fremdsein beklagen. Aber das sind, vermute ich, wenige. Die Pauschalierung wäre falsch. Würde man also echten Dialog wollen, kreierte man kein dummes «Pflichtprogramm». Man braucht keinem vermeintlichen Opfer in den Arsch zu kriechen, muss niemandem nach dem Mund reden einerseits und andererseits das Opferlos beklagen und dabei stabilisieren, weil es so gut ins Klischee passt.

Eine Offenheit hülfe. Wir sind das. Wir leben so und so. Du bist das. Wenn du dies und jenes unternimmst, hast du keine Probleme hier zu leben. Klingt einfach, hat aber einen wahren Kern. Er hängt mit Offenheit und Vertrauen zusammen. Und mit einem Selbstverständnis! Wenn ich den andern nicht primär als Opfer sehe, stelle ich mich nicht paternalistisch in die Helferrolle. Das, was schon indirekt hilft, ist die Offenheit. Auch Widerrede schmerzt weniger, wenn sie ehrlich und nachvollziehbar ist. Das Geschwätz, das möglichst abstrakte Gerede, verdeckt, vernebelt, färbt ein. Das hilft nur den Dummen und Schwachen, hier wie dort, den Stimmungsmachern, den Gefühlsduslern, den Oberflächlichen, den Ängstlichen.

Ich kenne viele Menschen in und aus vielen verschiedenen Kulturen. Aus unterschiedlichen Sozialschichten. Neben amtlichen oder beruflichen Kontakten, die anderen Kriterien unterliegen, pflege ich privat jene Kontakte, die es mir wert scheinen. Das nehme ich von meinem Gegenüber auch an. Das ist „normal“. Sympathie und Kenntnis sind hauptausschlaggebend. Ich sehe überhaupt keinen Unterschied zu Leuten aus «meiner» Kultur. Denn meine Kultur ist nicht einfach die österreichische. Ich erfahre tiefe Kulturunterschiede in «meiner» Kultur und bin froh, dass ich (noch) wählen kann und präferieren darf. Ich liebe nicht alle Menschen, weil ich keine Abstrakta liebe. Ich schätze Menschen, Ausgesuchte. Das ist die Freiheit, die ich mir nehme. Aber das bedeutet nicht, dass ich jenen, die nicht ausgesucht sind, deshalb feindlich begegne. Zwischen feindlich und gleichgültig, indifferent, besteht ein wichtiger, wesentlicher Unterschied. Würde ich mich mit all jenem aufhalten, das mich «stört», käme ich weder weiter, noch würde ich fertig. Schlimm wäre es nur, wenn ich nichts und niemanden fände, den oder das ich wählen und «aussuchen» möchte. Aber das wäre eine Extremsituation, die nicht herrscht.

(MyPersonalContent v1.3 © Rico Pinzke)
 
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