Freitag, 20. März 2015, 15-19 Uhr
Wir gedenken bereits am Freitag, 20.3.2015,
des Welttages der Poesie und stellen eine Sammlung in- und
ausländischer Poesie in deutscher und anderen Sprachen auf einem
Büchertisch aus. Wir lesen aus verschiedenen Ausgaben und verweisen
insbesondere auf die kürzlich im Driesch Verlag erschiene Anthologie österreichischer Lyrik, SPUREN, die von Nahid Bagheri-Goldschmied herausgegeben und ins Persische übersetzt wurde.
Info zum Welttag der Poesie, UNESCO
„Nur Gedichte, das sei angemerkt, wenn sie Gedichte sind,
überdauern und bezeugen weniger die Zeit als die Menschlichkeit. Sie enthalten
in schmerzlicher bis zynischer oder lustvoller bis frivoler Weise die
Affirmation, die mehr ist als Anerkenntnis. Sie geben die Bejahung der Welt als
Antwort auf deren pures Vorhandensein, ob als Detail oder in Gänze, in einer
sprachlichen Form, die aus Bewusstsein und vielbenutztem, also intuitivem
Handwerkszeug gemacht, gestaltet ist und damit ein hohes Recht hat. Wir nennen
das so Hergestellte die Poesie.“
Uwe Kolbe: Dichter und Stoff. Und etwas über
Zeitgenossenschaft. In: DIE HOREN 247
Ein Auszug aus Ferdinand Kürnbergfers "Der Amerika-Müde":
Sind wir Menſchen ſolche elektriſche
Aale?
Ich bin's. Es iſt etwas wider mich in der Natur, ein Feindſeliges,
Tragiſches, das nach einem ewigen Geſetz auf mich einwirkt. Alles
zeitliche Glück hilft nichts dagegen. Ich werde im Bann eines fata¬
liſtiſchen Elementes durch die Welt geſchleift, das mich umbringt. Ich
bin in einen falſchen Raum geſtellt, oder in ein falſches Jahrhundert —
was weiß ich? Nur fühlen kann ich's und in lichteren Momenten
ſeh' ich's. Ja, ich ſehe das Unglück oft vor mir, wie eine Perſon.
In Deutſchland hab' ich einen Freund, der ſieht Geiſter, wie Stamm¬
gäſte im Caſino. Die Proſaiſchen zucken die Achſeln über ihn, aber
die Poetiſchen haben zu keiner Zeit ſich auf den Senſualismus allein
vereidigt. Nein, nicht unverhofft trifft mich mein Buttler! Ich habe
Miragen von ihm, ich weiß, daß er kommen wird. Das iſt's, was
mich ſo traurig macht.
So ſchwelgte Moorfeld in
den Foltern ſeiner Phantaſie, und erſchöpfte
den ganzen Reichthum eines geiſtig-Reichen, ſich unglücklich zu machen.
Aus der Fülle dieſer imaginären Leiden, aus dem innerſten Drang
dichteriſcher Selbſtanklage entſtrömten ihm in dieſer Periode die Verſe:
Am Tage ſtehen meine Schmerzen,
Sie ſtehen nächtlich um mich her;
Ach, tönten ſie mir recht vom Herzen,
So wären ſie ſchon nimmermehr!
Doch keine Saite hält mir Spannung,
Kein Boden hält mir Reſonnanz, —
In grambeladner Geiſt-Entmannung
Verwelkt mir ſo mein Dichterkranz!
Das Leben lebt nicht!
— wär's zu leugnen,
Die letzten Funken facht' ich an,
Und Wunder ſollten ſich ereignen,
Wie Puck und Ariel gethan.
Ich flog wie ſie — doch unter'm Lumen
Des ſchlimmſten Sterns — um's Erdenrund,
Und ach, die alten Zauberblumen
Sie ſtehn nicht mehr auf altem Grund!
Ja, die Klage um die
Poeſie brachte ihm die Poeſie ſelbſt wieder
zurück. Dieſe Strophen waren ſein erſtes Gedicht in Ohio. Freilich
blieben ſie Fragment. Das gehaltene Aneinanderreihen elegiſcher Ge¬
danken und Empfindungen zweiter Ordnung ſcheint den heftigen Affekt
des Dichters nicht befriedigt zu haben; ungeduldig ſpringt er ab davon,
um in dem ſtrafferen Schlußgedanken Alles auf Einmal auszuſprechen:
ſein Geiſt erkenne ſich in dem Spiegel größerer Zeiten, das Alterthum
hat die Fülle des Lebens erſchöpft, der
Epigonen iſt das Nichts! Wir
finden zu jenem Fragmente nur noch die Schlußſtrophe:
Leander küßte meine Hero,
Aus meinen Bechern trank Lucull,
Mein Satanismus gohr in Nero,
Mein Herz floß über in Tibull!
Heut ſchaufeln wir mit Schulvergnügen
Nach dieſes Daſeins Span und Zoll,
Freu'n uns an alten Thränenkrügen
Und — weinen ſie von Neuem voll!
Ferdinand Kürnberger:
Der Amerika-Müde, 5. Kapitel, S. 372f, Ausgabe 1855
Frankfurt am Main, Meidinger (Deutsche Bibliothek. Sammlung
auserleserner Original-Romane)
Johann Wolfgang von
Goethe
Epirrhema
Müsset im
Naturbetrachten
Immer eins wie alles
achten:
Nichts ist drinnen,
nichts ist draußen;
Denn was innen, das
ist außen.
So ergreifet ohne
Säumnis
Heilig öffentlich
Geheimnis.
Freuet auch des
wahren Scheins,
Euch des ernsten
Spieles:
Kein Lebendiges ist
ein Eins,
Immer ists ein
Vieles.
(MyPersonalContent v1.3 © Rico Pinzke)
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